Die Netzwerkinfrastruktur des Internet ermöglicht asynchrone und ohne zentrale Koordination auskommende Kollaboration zwischen Menschen aus allen Teilen der Welt. Ein Ausdruck dieser Struktur ist, dass inzwischen praktisch zu jedem Thema irgendwo im Netz verstreut Informationen, Meinungen und Anleitungen zu finden sind, die wiederum verlinkt, kommentiert, ergänzt und diskutiert werden. Kann es aber auch als politische Kollaborationsplattform dienen, vor allem für Akteure, deren politisches Handeln nicht in fest gefügten organisatorischen Rahmen verläuft, also für Proteste von Bürgerinnen und Bürgern und für soziale Bewegungen. Diese Frage wird von Cyber-Optimisten auf der einen und von Cyber-Pessimisten auf der anderen Seite gegensätzlich beantwortet.
Um die Plausibilität der verschiedenen Hoffnungen und Befürchtungen über den Einfluss des Internets auf soziale Bewegungen und Protest beurteilen zu können, ist es allerdings sinnvoll, dieses bipolare Ordnungsschema aufzugeben und stattdessen unabhängig von der generellen Position der Autoren zu prüfen, welche konkreten Zusammenhangsvermutungen hinter den Hoffnungen und Befürchtungen stehen. Auf der Basis einer Diskussion dieser Zusammenhangsvermutungen lässt sich dann etwas präziser beurteilen, ob das Internet neue und erfolgversprechende Formen der Kollaboration nichtinstitutioneller politischer Akteure ermöglicht.
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Haunss, Sebastian (2018), »Das Internet und das Versprechen neuer Formen der politischen Kollaboration«, in: Ghanbari, Nacim /Otto, Isabell /Schramm, Samantha /Thielmann, Tristan (Hg.), Kollaboration. Beiträge zur Medientheorie und Kulturgeschichte der Zusammenarbeit, Paderborn: Fink, S. 235–262.